Leben aufzeichnen – Maxie Wander zum Geburtstag
Letzten September im Literaturhaus Rostock, ein Plakat: die Ankündigung einer Lesung von Carolin Würfel, Drei Frauen träumen vom Sozialismus. Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf. Mein Herz schlägt schneller. Zur Lesung sind wir nicht mehr in Rostock, aber Maxie Wander breitet sich in mir aus. So lange habe ich nicht mehr an sie gedacht, in ihren Büchern gelesen. Guten Morgen, du Schöne. Ein Leben ist nicht genug. Leben wär‘ eine prima Alternative.
Wie haben wir Mitte der 80er Jahre diese Bücher verschlungen, sie uns einverleibt, in der Familien- und Freundinnenrunde hin und her geborgt, verschenkt. Sätze unterstrichen, herausgeschrieben, in die Wohnung gehängt. Fasziniert von Maxie Wanders rastlosem Lebenshunger, ihrer Neugier, ihrer Suche nach einer neuen, schöpferischen Art zu Leben (die sie unter anderem in die DDR führte, was, samt Ernüchterung ein Kapitel für sich ist). Haben wir doch selbst damals unser eigenes Leben gesucht, das natürlich ganz anders als das unserer Eltern sein sollte.
Fasziniert von ihrer Begabung zu Begegnung und Berührung, was ihre Frauenprotokolle so besonders macht. Von ihrem ununterbrochenen täglichen Schreiben, Beobachtungen, Geschichten, Notizen und hunderte von Briefen. „Und vielleicht sind genau diese Briefe ihr großes, größtes Werk“, schreibt Carolin Würfel. „Das sah und kapierte damals nur keiner, weder sie, noch ihr Umfeld. Ihre Briefe waren keine gewöhnlichen, konventionellen Briefe. Sie waren Korrespondenz und Selbstgespräch. … Sie waren klug und originell und humorvoll und traurig und weise.“
Ihr Schreiben war jedenfalls immer inspirierend, anregend und die Aufforderung, etwas zu tun.
Am 3. Jänner hätte Maxie Wander ihren 91. Geburtstag.
P.S. Im Rüdigerhof über Maxie Wander schreibend, wird mir erst so richtig bewusst, dass in unseren Raum und die Idee der Salonage nicht die Salonieren wie Rachel Varnhagen oder Bettine von Arnim einfließen, sondern das offene Haus, der große Tisch, die vielen Gespräche, der Gedankenaustausch bei Maxie und Fred Wander in Kleinmachnow. Salonage, das klingt wie Collage und Bagage!
P.S. Was das Tagebuch und das tägliche Schreiben betrifft, herzliche Einladung zu meinem neuen Seminar „Tagebuchvariationen zwischen Text und Bild – Möglichkeiten des täglichen Schreibens“ im Februar 2024 in St. Pölten.

Carolin Würfel, Drei Frauen träumten vom Sozialismus. Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf. Hanser Verlag, 2022
Maxie Wander, Guten Morgen, du Schöne. Frauen in der DDR. Protokolle, Sammlung Luchterhand,1978
Maxie Wander Leben wär‘ eine prima Alternative. Tagebuchaufzeichnungen und Briefe, Sammlung Luchterhand, 1986
Maxie Wander, Ein Leben ist nicht genug, dtv, 1996